Mangel an Lokpersonal
Pressemitteilungen in diesem Sommer suggerierten, dass die SBB alles so aufgegleist hat, als wäre der Lokführermangel behoben. Für den LPV erschien diese Meldung eher seltsam, da er ja im April in der Region Romandie, zusammen mit dem Lokpersonal Genf, die Alarmglocken läuten hörte. Bereits seit Mai finden alle 6 Wochen Sozialpartnersitzungen statt, um die Situation zu entschärfen. Dabei wurden Arbeitsgruppen gebildet, um Lösungen zu finden. Leider wissen wir zu gut, dass es kaum Lösungen gibt, welche uns kurzfristig helfen. Die Bahn ist auf eine langfristige Vision angewiesen. Wenn aber die obersten Manager nur kurzfristige Visionen haben, um ihre persönlichen Ziele umzusetzen, spricht das längerfristig gegen die Beständigkeit der Bahn.
Dem LPV liegt eine Vorstudie der SBB aus dem Jahr 2005 vor, mit dem Arbeitstitel «40 Plus» Diese Vorstudie wies dazumal bereits klare Tendenzen aus:
- Ein kontinuierlicher Anstieg des Durchschnittalters, nicht nur beim Lokpersonal
- Gleichzeitiger konstanter Abfluss von Kompetenzen, vornehmlich durch absehbare Pensionierungen, welche durch junge Mitarbeiter zu ersetzen sind
Diese Studie hat uns die heutigen Erkenntnisse schon damals geliefert, nur scheinen die damals erfassten Parameter irgendwie im Sand verlaufen zu sein, denn sonst wäre schon früher gehandelt worden und man hätte nicht eine 16jährige Frist verstreichen lassen.
Gemäss SBB soll, Dank der gerade laufenden Einstellungsoffensive, der Bestand an Lokführer*Innen im nächsten Frühling schweizweit um 100 Lokführer über dem Bedarf liegen. Der LPV hat dazu eine kleine Überschlagsrechnung gemacht:
200 Lokführeranwärter*Innen kommen bis nächsten Frühling aus der Ausbildung. Davon ziehen wir ab:
- Lokpersonal mit Alter über 60 Jahre und kurz vor der letzten periodischen Prüfung stehend
- Teilzeit, es wurden Teilzeitgesuche zurückgestellt und mitgeteilt, dass diese sicher im Jahr 2022 bewilligt werden
- Abbau von Überstunden (CTS)
- Abbau von Zeitguthaben (Flexa, verschobene Anträge zum Bezug aus 2021 müssen gem. geltenden Regeln im 2022 bewilligt werden
- übertragene Feriensaldi
- Junges Lokpersonal welche die erste periodische Prüfung nicht absolvieren möchte und somit in den alten Beruf zurückkehrt oder intern wechselt
- Burnouts, Krankheiten
- Nicht bestandene Prüfung zum Lf Kat. B, resp. während Ausbildung bereits ausgeschieden
Nach diesen Abzügen kommt der LPV nicht auf 100 Lokführer*Innen im Überbestand. Oder sieht das jemand anders?
Dieser Lokführermangel wurde durch Corona lediglich zeitlich verzögert. Der LPV ist überzeugt: Wäre die Ausdünnung des Fahrplans in der ersten Corona-Welle sowie der Verzicht auf den Eventverkehr nicht gewesen, hätte es ganz klar schon früher ein «Grounding» gegeben. Die eingeführten Fahrpläne wie Baustellenfahrplan und Sommerfahrplan haben ganz klar gegen das Fehlen des Lokpersonals geholfen. Seit Ende August jedoch der Sommerfahrplan aufgehoben wurde, ist der Lokführermangel wieder deutlich spürbar.
Dabei beleuchtet der LPV hier vorab nur den SBB Personenverkehr. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass auch SBB Cargo von einem starken Lokführermangel, d.h. bis zu -15 Lokführer*Innen pro Tag betroffen ist. Dem LPV ist die Reaktion von SBB Cargo auf diesen Mangel noch nicht klar. Der LPV wird dies an einem Austausch mit Cargo am 10.11.21 erörtern.
Gleichzeitig fragt sich der LPV auch was mit den anderen Personengruppen, welche an Personalmangel leiden, geschieht. Wir sprechen hier vom Rangierpersonal, Zugpersonal etc. Diese wurden in der eingangs erwähnten Vorstudie aus dem Jahr 2005 ebenfalls erfasst…
Der LPV bleibt dran und handelt!